Euphelia ist eine Sonnenfeder. An
solchen Tagen wie heute, voll Sonnenschein, liebt die zartgoldene
Hausschreibfeder ihren Job über alle Maßen.
Sie wird in ihren Weltreise-Kasten
verpackt und los geht es – ohje – in einem Bollerwagen. Wie das rumpelt. Wo
führt das hin? Sie versucht, einen Blick aus der Schachtel zu erhaschen.
Schlagloch – Klappe zu!
Die Reise ist kurz. Fröhliche
Menschen um sie herum. Euphelia bekommt den absoluten Mittelthron. Wo ist sie
hier?
Egal, alles egal, denn neben ihr
wartet schon ihr lieber kleiner angekokelter Freund Faust auf sie. Nun kann ihr
nichts mehr passieren. Euphelia kann in aller Ruhe beobachten, hinhören,
zuschauen und ihren kleinen silbernen Fuß im mondstaubvioletten Takt übers
Papier tanzen lassen.
Wo fängt sie an? Wie beschreibt man
eine lustige Ansammlung von Menschen, die in einem Wagon sitzen, der sich nicht
bewegt?
Lothar
Kusche
„Einsteigen
bitte, der Zug endet hier“
Und da steht auch noch der
Bollerwagen. Da war viel Gepäck drin um sie herum. Wo ist es hin?
Eines ihrer Lieblingsbücher kommt
ihr in den Sinn. Na, das wäre lustig.
Guy
Abecassis
„100
Koffer auf dem Dach“
Ach, Euphelia ist wahrhaft verwirrt. Ihr fällt bei all diesen
Aufregungen gar nichts ein.
Zum Glück kam heute liebe Post von Astrid. Darin stand:
Euphelia
richtete heute nur kurz den Blick zur Tür. Mehr mußte sie davon
nicht haben. Das ist ein Wetter, wie geschaffen für eine
Hausschreibfeder.
Da
machen wir uns doch mal einen ganz schönen gemütlichen Tag, so
entscheidet Euphelia und lehnt sich in ihrem silbernen Stiefelchen in
aller Ruhe zurück.
Ja,
aber was ist ein gemütlicher Tag? Hier in ihrem Wohnzimmer geben ihr
die Gäste schnell die Antwort. Da kommen welche erst gegen Mittag
zum Frühstück, da sitzen andere mit einem Rotwein vor dem Mittag im
Wohnzimmer. Andere stöbern stundenlang in der Bücherscheune, um
danach bei heißer Suppe und Glühwein wieder Gefühle in den Füßen
zu spüren, wobei das Finderlächeln über bibliophile Schätze die
Oberhand behält. Es gibt Leseratten, die sich den ganzen Vormittag
für den NachdemFrühstücksschlaf in eine Decke kuscheln. Welche
sitzen und lesen und bekommen ihre Umwelt gar nicht mit. Was für ein
toller Tag, stellt Euphelia fest. Wie verrückt, daß dies ein Ort
ist, der so viel Charme versprüht, wenn die Sonne sich versteckt.
Wunderbare
Düfte dringen aus der Küche bis zu ihrer Federspitze. Oh, es wird
Kuchen gebacken für die nächsten Adventstage. Die Kekse vom ersten
Advent sind alle vernascht, erst in der nächsten Woche werden die
Bleche neu gefüllt. Nun ist Kuchen an der Reihe.
Wenn
man das Glück doch backen könnte ….
Doch
dann geht das wieder los mit diesem Gewissen: Oh, wie toll haben wir
denn heute gebacken und wieviel Spaß hatten wir miteinander und wie
lecker sind die neuen Kekse.
Hast
Du schon Klamotten zu Weihnachten? Meine Größe 38 paßt mir nicht
mehr! Ohje, wo ist mein Eiweißshake?
Na
toll, wer kennt es nicht: Man sucht im Fernsehen nach einem
geeigneten Programm, findet Kochsendung, Kochshow, Promikochen und
noch vieles mehr. Dann sucht man weiter und findet ErnährungsDocs,
Diät-Ratgeber, the biggest loser und gibt auf – mit einem Stück
Schokolade im Mund.
Essen
spielt so eine große Rolle, daß man eigentlich allein vom
DarüberNachdenken ständig Hunger hat.
Euphelia
überlegt, was man denn mit den ganzen Keksen anfangen könnte, die
im Backofen in der nächsten Woche auf freudige Naschkatzen warten,
wenn doch jeder schon nach dem ersten Gebäck seinen Hosenbund prüft.
Vielleicht
kann man eine große Kekstüte einfach ganz früh anonym vor einen
Kindergarten stellen und dann freudige Kinderaugen beim Finden
beobachten? Doch das ist wohl nicht mehr zeitgemäß. Viel schneller
wird dann wahrscheinlich die anonyme getarnte Bombe sicherheitshalber
gesprengt.
Vielleicht
kann man einen großen Beutel voller Kekse in ein Pflegeheim bringen.
Doch was ist, wenn ein Ei in diesen Keksen aus einer
Eier-Rückrufaktion verwendet wurde? Am besten wäre es doch, die
fleißigen Bäcker von Keksen machen zunächst einen Hygieneschein,
bevor sie Freunde mit selbstgebackenen Kipfeln bewirten.
Euphelia hört dem gleichmäßigen Rauschen des Regens zu und erinnert sich:
Da
gab es einmal ein altes Familienbackbuch. In diesem las sie die
zauberhaften Rezepte für Liebesmuffins, Wahrheitsplätzchen oder
auch von Törtchen, um verlorene Dinge wiederzufinden.
Ohja,
das waren noch Zeiten. Wie hieß doch gleich das Buch? Es gab in ihm
sogar Hinsetzen-und-Mundhalten-Brötchen. Euphelia denkt lange nach,
dann kommt plötzlich das Bild des Covers in ihrer Feder an.
„DieGlücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch“
von
Kathryn Littlewood
Ohja,
was für ein verrückter und köstlicher Lesegenuß. Und seid
ehrlich, möchtet Ihr nicht auch einmal unbedingt einen
„Umkehr-kopfüber-von-innen-nach-außen-Kuchen“ probieren?
In
Vorausschau auf das Vernaschen dieses Buches entscheidet sich
Euphelia zu einem strikten Ändern ihres Eßverhaltens, damit auf der
Waage kein Chaos entsteht. Sie wird den Keks aus der rechten
Federhälfte beim Klettern auf die Waage neben sich auf den Schrank
legen. Den halben Lebkuchen, der in ihrem Federkern gerade
verschwindet, wird sie erst herunterkauen, bevor sie den Blick auf
die Waage wagt.
Euphelia ist ob dieser grandiosen Idee ganz euphorisch. Sie mischt sich unter das Weihnachtsvolk, um sich für weitere Maßnahmen zu beraten. Dieser Tag hinter der 11. Tür ist köstlich, wunderschön und so unkompliziert, denn heute gibt es ja bloß Kuchen.
Euphelia
reiste heute tagsüber. Die gestiefelte Hausschreibfeder Euphelia war
unterwegs in wichtiger Mission.
Es
war ihre erste große Reise nach dem Auszug aus der Glasvitrine.
Ländergrenzen wurden überschritten. Von Mecklenburg aus ging es in
das Herz Vorpommerns, nach Stralsund.
Ihre
Aufgabe bestand im Festhalten der bilateralen Absprachen in
Vorbereitung einer großen Feierlichkeit, wiederum
länderübergreifend.
Hier
in ihrem Stammsitz, wo sie heute abend völlig erschöpft wieder
Platz genommen hat, hier also wird am Freitag den 13. ein wichtiger
Mensch seinen 85. Geburtstag feiern. Bei den meisten Gästen ist er
der Heinz mit dem Akkordeon. Bei anderen ist er der Mann am Klavier.
Nach
den Wünschen wurde ausführlich gefragt, nach dem Essen und den
Getränken, nach den Blumen auf dem Tisch. Es ging es um die Zeiten,
die auf dem Bahnsteig „Viertel vor Zehn“ eingehalten werden
sollen, um die Länge der Bahnfahrt und um die verrückte Tee Party
im Wunderland. Euphelia kam mondstaubviolett kaum hinterher. Der Fuß
wurde ihr richtig warm.
Natürlich
war dem Mann am Klavier immer auch seine Frau eine starke Hilfe bei
allen Entscheidungen. So ist das nach 64 Ehejahren und so soll es
auch sein und so hält es sie beide stark.
Ja,
da ist Euphelia wieder bei den Wünschen und bei den Geschenken. Da
macht man sich schon so viele Gedanken zu Weihnachten. Nun kommt ein
Geburtstag kurz davor noch dazu. Und nicht nur für den Heinz am
Akkordeon, nein, ein junger Mann, Student, wird von weit her
anreisen, um ebenfalls an diesem Freitag den 13. eine Schippe auf
sein Alter drauf zu legen. Anhand der ausführlichen Aufzeichnungen
von Euphelia wird es gelingen, diesen wundervollen beiden Männern
einen schönen Rahmen zu gestalten für einen gemeinsamen Geburtstag.
Obwohl Euphelia weiß, daß sie an die Qualitäten des
Tagebuchschreibens des Mannes am Klavier in keiner Weise heranreicht,
müht sie sich um bestes Protokoll.
Doch
was wünscht man diesen beiden LieblingsMenschen? Was schenkt man
Menschen um sich herum, die man wirklich liebt?
Euphelia
stellt sich diese Fragen nun schon ein paar Tage, denn im Wohnzimmer,
von ihrem Stammplatz aus, hört sie viele unterschiedliche Gespräche
zu diesem Thema „Schenken“.
Wenn
sie sich das Ehepaar anschaut, mit dem sie heute gesprochen hat –
Ihr seht es unten auf dem Foto – dann weiß sie, daß da jemand
bereits ein handgearbeitetes Geschenk gemacht hat, welches so sehr
voller Liebe steckt. Es ist ein Kunstwerk voller Zeit, Leidenschaft,
Meisterschaft und voller Liebe. Euphelia führte den Federfuß voller
Respekt mit diesen beiden liebenswerten Geschöpfen.
Neulich
hat Euphelia gehört, wie jemand ein Lotto-Los verschenkt hat. Da
fiel ihr ein Buch ein, welches sie mit sehr großem Interesse und
voller Emotionen gelesen hat. Seitdem weiß sie ganz genau: Nie,
niemals wird sie ein Lotto-Los verschenken. Aber sie hat auch aus
diesem Buch gelernt: Handarbeit verbindet und macht glücklich. Und
Handarbeit ist ein wundervolles Geschenk.
Lest
selbst! Dieses Buch wird Euch lange nicht loslassen:
„Alle
meine Wünsche“
von
Grégoire Delacourt
Euphelia
ahnt, daß am Freitag den 13. viele gute Wünsche ausgesprochen
werden für den Mann am Klavier und für den Studenten. Doch ganz und
total sicher ist sie sich, daß der größte Wunsch auf alle Fälle
in Erfüllung geht:
Gemeinsame ehrliche und fröhliche Zeit mit der ganzen Familie und den besten Freunden.
Euphelia
hätte nicht gedacht, daß der 7. Dezember ein ganz besonderer Tag
wird. Doch heute bekam sie das zweithöchste Zertifikat. Was für ein
Tag!!!! Ja, Euphelia gehört jetzt wirklich dazu. Nun ist sie –
fast – eine echte Hausschreibfeder in Amt und Würden. Was ist
geschehen?
Ein
Gast des Hotels hat Euphelia heute morgen begrüßt und ihr
liebenswürdig, laut und deutlich „Guten Morgen, Euphelia!“
gewünscht.
Was
für ein Moment!
Was
für eine Auszeichnung!
Was
für eine Ehre!
Der
liebenswerten zartgoldenen Euphelia flattert die Eulenfeder. Sie
möchte antworten, doch das Wort bleibt ihr im silbernen Stiefelchen
stecken.
Sie
holt tief – mondstaubviolett – Luft, und als die Überraschung
sich in pure Freude verwandelt hat, spricht Euphelia mit den nächsten
Gästen, die an ihrem Stammplatz vorüber gehen.
„Guten
Morgen! Ich bin Euphelia, die Hausschreibfeder. Ich habe gehört, Ihr
feiert hier nachträglich Geburtstag in ganzer Familie?“
„Guten
Morgen, nein, ich gehöre zu einer Tagung und muß arbeiten heute.“
„Guten
Morgen! Ich bin Euphelia, die Hausschreibfeder. Und Du mußt hier
auch arbeiten? Ja, ist denn nicht Wochenende?“
„Guten
Morgen, nein, wie kommst Du darauf, daß ich arbeiten muß. Ich hatte
gestern Weihnachtsfeier und konnte nicht mehr nach Hause fahren.
Jetzt freue ich mich auf das tolle Frühstück.“
„Guten
Morgen! Ich bin Euphelia, die Hausschreibfeder. Oh, und Du hast
gestern auch hier gefeiert?“
„Guten
Morgen, nein, sehe ich so aus? Ich will erst heute feiern, ich bin
der Bräutigam und werde heute heiraten.“
„Guten
Morgen! Ich bin Euphelia, die Hausschreibfeder. Was feierst Du? Du
siehst völlig entspannt aus mit Deinem Buch unter dem Arm.“
„Guten
Morgen, naja, das ist ja mal eine komische Frage. Ich feiere gar
nicht, ich bin im Urlaub und genieße die Lesezeit. Aber irgendwie
hast Du auch recht, ich feiere das Leben und die Bücher hier jeden
Tag.“
„Guten
Morgen! Ich bin Euphelia, die Hausschreibfeder. Du bist noch ein
wenig unruhig, scheinbar. Dies ist schon Dein dritter Kaffee. Suchst
Du noch das passende Buch?
„Guten
Morgen, lesen wäre jetzt eine tolle Alternative. Wir lieben Bücher
in unserer Familie. Doch gleich kommen alle zum Frühstück, auch die
Langschläfer. Wir feiern nachträglich alle zusammen einen runden
Geburtstag.“
Ohja,
denkt sich Euphelia, was für verschiedene Menschen und
unterschiedliche Erwartungen kommen in solch einem kleinen Haus fast
am Rande der Welt zusammen. Und wie schön, daß jeder seinen
Bereich, seine Stube, seine Ansprache und soooo viel Liebe hier
findet.
Da
drängelt sich zu ihr ganz nach oben in die Federspitze ein
wunderbarer Titel. Sie hat das Buch seinerzeit verschlungen und schon
beim Lesen gewußt, daß sie ihren Job als Hausschreibfeder lieben
wird für alle Zeit.
Vicky
Baum
„Menschen
im Hotel“
PS: Und übrigens ist dieser Film ein Film zum Buch auf Augenhöhe!!!
Euphelia
schüttelt heute abend nur noch mit der Feder. Sie hat schon viel vom
Nikolaus gehört. Doch irgendwie gingen ihre Vorstellungen in eine
ganz andere Richtung. Wer diesen Tag hier im Bücherhotel nicht
erlebt hat, denkt sich Euphelia jetzt am Abend, dem fehlt ein Kapitel
im Hauptteil.
Das
ging ganz früh am Morgen schon los. Vor die Tür stellt man die
Schuhe, hatte Euphelia sich belesen. Nun hätte sie am liebsten laut
gebrüllt: Vor die Tür!!!! Aber doch nicht genau unter meinen
Stammplatz, konnte sie nur verzagt flüstern. Dicke große Stiefel,
welcher Nikolaus soll das alles tragen, was da hinein paßt? Und
voller Modder. Und mal ehrlich, welche Nikolausnase soll das
aushalten? Nun, diese Stiefel waren mit den Jägern schnell wieder
weg. Doch dann wurde es unheimlich. Da gingen Menschen raus mit
Koffern, bevor sie frühstücken wollten. Gleichzeitig kamen Menschen
mit Koffern hinein, die bereits die Zimmer von denen haben wollten,
die noch gar nicht aufgestanden waren.
Kaum
war dieses Gerangel in geordneten Bahnen, erschienen auch schon ganz,
ganz viele neue Menschen. Die fleißigen Hausgeister riefen nur noch
einstimmig „Der Gänsebus ist da!“ Und schon liefen alle in
Richtung Küche. Das interessierte Euphelia sehr, da
mußte sie hin.
Oh,
wenn sie doch bloß die Zeit hätte, alles aufzuschreiben. Doch das
kann ihr einzelner Fuß nicht bewältigen. So ist sie schon eine
ganze Weile auf der Suche nach einem neuen Schreibkurs. Der kleine
angekokelte Faust hatte da von Gänsefedern gesprochen, mit denen
sein großer Meister früher geschrieben hatte.
Gänse hörte sie vom Feld her jeden Tag, sehr viele Gänse. Doch, wie kam sie an die Federn? Und würden diese mit ihr gemeinsam die Geschichten für das BuddelBuch schreiben? Fand sie diese Gesellen bei Ingo in der Küche?
Doch
wie groß war der Schreck, als Euphelia merkte, daß sie hier beim
Nudistentreffen zu Gast war. Lauter nackte Gänsehaut sah sie vor
sich. Ihre Feder sträubte sich, Euphelia fühlte sich in großer
Gefahr. Wo waren deren Federn geblieben?
Schnell
raus aus der Küche. Vielleicht
erfuhr sie mehr, wenn sie dem Text lauscht, der im
Gastraum
gerade vorgelesen wurde. Leider hörte sie nur noch die letzten
Sätze.
Was, wenn Pistoulet ein Geheimwort für Groß Breesen ist? Denn schon nach diesen wenigen kurzen Sätzen war ihr klar: Wenn sie hinter das Geheimnis kommen will, muß sie das ganze Buch lesen.
Schnell
schwebte Euphelia zurück auf ihren Stammplatz in der Hoffnung, daß
dieses kleine Büchlein in ihrer Nähe abgelegt wird.
„Das Geheimnis von Pistoulet“ von Jana Fayne Kolpen
Eine Geschichte über Essen, Magie und Liebe
Und
dies sind die Sätze, die Euphelia hören konnte:
Das ist Pistoulet – ein verschwiegenes Paradies mit magischen Kräften. In und um Pistoulet leben außergewöhnliche Geschöpfe. Alle, die schon einmal in Pistoulet waren, wissen eine Geschichte zu erzählen, die sich während ihres Besuchs auf diesem Hof zugetragen hat.
Wer
in Pistoulet länger verweilt, verläßt diesen Ort verwandelt.
Manche
gehen nie fort.
Ja, das ist sicher für Euphelia, sie bleibt, denn hier gibt es wirklich noch viel zu erleben und noch viel mehr aufzuschreiben.
Vielleicht habt Ihr auch Lust, Eure Geschichten aufzuschreiben? Wir freuen uns über Eure Federstriche für das BuddelBuch.