Euphelia ist eine Sonnenfeder. An
solchen Tagen wie heute, voll Sonnenschein, liebt die zartgoldene
Hausschreibfeder ihren Job über alle Maßen.
Sie wird in ihren Weltreise-Kasten
verpackt und los geht es – ohje – in einem Bollerwagen. Wie das rumpelt. Wo
führt das hin? Sie versucht, einen Blick aus der Schachtel zu erhaschen.
Schlagloch – Klappe zu!
Die Reise ist kurz. Fröhliche
Menschen um sie herum. Euphelia bekommt den absoluten Mittelthron. Wo ist sie
hier?
Egal, alles egal, denn neben ihr
wartet schon ihr lieber kleiner angekokelter Freund Faust auf sie. Nun kann ihr
nichts mehr passieren. Euphelia kann in aller Ruhe beobachten, hinhören,
zuschauen und ihren kleinen silbernen Fuß im mondstaubvioletten Takt übers
Papier tanzen lassen.
Wo fängt sie an? Wie beschreibt man
eine lustige Ansammlung von Menschen, die in einem Wagon sitzen, der sich nicht
bewegt?
Lothar
Kusche
„Einsteigen
bitte, der Zug endet hier“
Und da steht auch noch der
Bollerwagen. Da war viel Gepäck drin um sie herum. Wo ist es hin?
Eines ihrer Lieblingsbücher kommt
ihr in den Sinn. Na, das wäre lustig.
Guy
Abecassis
„100
Koffer auf dem Dach“
Ach, Euphelia ist wahrhaft verwirrt. Ihr fällt bei all diesen
Aufregungen gar nichts ein.
Zum Glück kam heute liebe Post von Astrid. Darin stand:
Dies
ist eine ganz besondere Tür – es ist Bergfest, denn der 12.12. ist
die Hälfte im Adventskalender. Die Hälfte alle Schokostücke, aller
Teebeutel, aller Kondome ist nun schon vernascht.
Euphelia
hat an all das heute überhaupt keinen Gedanken. Sie ist gefüllt mit
Mondstaubviolett, deshalb hat sie heute nur ihre Augen am abendlichen
Himmel. Gestern war der Mond hier in Groß Breesen kaum zu sehen,
doch heute erscheint er noch einmal in seiner ganzen Pracht. Es ist
die längste Mondnacht des Jahres, denn bald schon wird der Tag
wieder länger.
Nachdem
Euphelia am Lagerfeuer ihre Tinte mit Glühwein etwas verdünnte
und anschließend mit Rotwein verdickte, um sie danach geschmeidig zu
machen mit Gin, setzt sie sich nun an ihren Lieblingsplatz unter dem
schrägen Fenster, dem Mond so nahe wie möglich, und schreibt diesen
Brief:
Hallo,
liebe Bookoholiker, liebe Leser der Geschichten aus dem BuddelBuch,
bei
Vollmond wird mir echt immer ganz schreiberisch. Mich fasziniert
dieser Mond, wer kann da am Abend einfach so in die Stube gehen. Er
zieht mich magisch an. Und, ganz ehrlich, seit Einbruch der
Dunkelheit höre ich Eulen und Käuze überall im Park. Ihr könnt
Gäste des Hauses fragen, manche dachten schon, man kann es ein- und
ausschalten – doch sie waren alle echt und in unterschiedlichen
Bäumen. Dies paßte zu dieser ansonsten windstillen, sinnlichen und
übersinnlichen Nacht, in der sich schön
und schaurig an magischen Orten fantastische Wesen tummeln.
Viele
Jahre schon
gibt
es hier im
Bücherhotel die
Tradition der Vollmond-Lesungen. Illustre Gäste kommen
zusammen, um bei Nacht entweder mitten im Wald oder im Kanu auf dem
See oder an manch geheimem Ort vorgelesene
Geschichten
zu hören.
Wenn
Ihr Euch von der Magie dieser Vollmond-Nächte
auch verzaubern und verführen lassen möchtet, liebe Bookoholiker,
dann solltet Ihr den 8. Februar 2020 in Euren Kalender eintragen. An
diesem Abend werden Euch hier an diesem fabelhaften
Ort Mondträume, nicht nur aus dem Reich der Fantastik, dargeboten.
Eine Wanderung durch die Mondnacht gehört dazu, heiße Getränke
lassen das Blut noch mehr durch die Adern rauschen.
Doch
für heute nehme ich das passende
Buch
zur Hand , kuschel
mich in die warme Decke und
genieße schon einmal eine Probe als Vorkoster.
„Mondträume“
Fantastische
und magische Geschichten
Herausgegeben
von Iris Grädler
Ich
wünsche Euch eine verträumte
Nacht, in der die Eulen rufen, die Vampire auf Euch lauern und Elfen,
Feen und Trolle ihren Reigen tanzen.
Euphelia
richtete heute nur kurz den Blick zur Tür. Mehr mußte sie davon
nicht haben. Das ist ein Wetter, wie geschaffen für eine
Hausschreibfeder.
Da
machen wir uns doch mal einen ganz schönen gemütlichen Tag, so
entscheidet Euphelia und lehnt sich in ihrem silbernen Stiefelchen in
aller Ruhe zurück.
Ja,
aber was ist ein gemütlicher Tag? Hier in ihrem Wohnzimmer geben ihr
die Gäste schnell die Antwort. Da kommen welche erst gegen Mittag
zum Frühstück, da sitzen andere mit einem Rotwein vor dem Mittag im
Wohnzimmer. Andere stöbern stundenlang in der Bücherscheune, um
danach bei heißer Suppe und Glühwein wieder Gefühle in den Füßen
zu spüren, wobei das Finderlächeln über bibliophile Schätze die
Oberhand behält. Es gibt Leseratten, die sich den ganzen Vormittag
für den NachdemFrühstücksschlaf in eine Decke kuscheln. Welche
sitzen und lesen und bekommen ihre Umwelt gar nicht mit. Was für ein
toller Tag, stellt Euphelia fest. Wie verrückt, daß dies ein Ort
ist, der so viel Charme versprüht, wenn die Sonne sich versteckt.
Wunderbare
Düfte dringen aus der Küche bis zu ihrer Federspitze. Oh, es wird
Kuchen gebacken für die nächsten Adventstage. Die Kekse vom ersten
Advent sind alle vernascht, erst in der nächsten Woche werden die
Bleche neu gefüllt. Nun ist Kuchen an der Reihe.
Wenn
man das Glück doch backen könnte ….
Doch
dann geht das wieder los mit diesem Gewissen: Oh, wie toll haben wir
denn heute gebacken und wieviel Spaß hatten wir miteinander und wie
lecker sind die neuen Kekse.
Hast
Du schon Klamotten zu Weihnachten? Meine Größe 38 paßt mir nicht
mehr! Ohje, wo ist mein Eiweißshake?
Na
toll, wer kennt es nicht: Man sucht im Fernsehen nach einem
geeigneten Programm, findet Kochsendung, Kochshow, Promikochen und
noch vieles mehr. Dann sucht man weiter und findet ErnährungsDocs,
Diät-Ratgeber, the biggest loser und gibt auf – mit einem Stück
Schokolade im Mund.
Essen
spielt so eine große Rolle, daß man eigentlich allein vom
DarüberNachdenken ständig Hunger hat.
Euphelia
überlegt, was man denn mit den ganzen Keksen anfangen könnte, die
im Backofen in der nächsten Woche auf freudige Naschkatzen warten,
wenn doch jeder schon nach dem ersten Gebäck seinen Hosenbund prüft.
Vielleicht
kann man eine große Kekstüte einfach ganz früh anonym vor einen
Kindergarten stellen und dann freudige Kinderaugen beim Finden
beobachten? Doch das ist wohl nicht mehr zeitgemäß. Viel schneller
wird dann wahrscheinlich die anonyme getarnte Bombe sicherheitshalber
gesprengt.
Vielleicht
kann man einen großen Beutel voller Kekse in ein Pflegeheim bringen.
Doch was ist, wenn ein Ei in diesen Keksen aus einer
Eier-Rückrufaktion verwendet wurde? Am besten wäre es doch, die
fleißigen Bäcker von Keksen machen zunächst einen Hygieneschein,
bevor sie Freunde mit selbstgebackenen Kipfeln bewirten.
Euphelia hört dem gleichmäßigen Rauschen des Regens zu und erinnert sich:
Da
gab es einmal ein altes Familienbackbuch. In diesem las sie die
zauberhaften Rezepte für Liebesmuffins, Wahrheitsplätzchen oder
auch von Törtchen, um verlorene Dinge wiederzufinden.
Ohja,
das waren noch Zeiten. Wie hieß doch gleich das Buch? Es gab in ihm
sogar Hinsetzen-und-Mundhalten-Brötchen. Euphelia denkt lange nach,
dann kommt plötzlich das Bild des Covers in ihrer Feder an.
„DieGlücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch“
von
Kathryn Littlewood
Ohja,
was für ein verrückter und köstlicher Lesegenuß. Und seid
ehrlich, möchtet Ihr nicht auch einmal unbedingt einen
„Umkehr-kopfüber-von-innen-nach-außen-Kuchen“ probieren?
In
Vorausschau auf das Vernaschen dieses Buches entscheidet sich
Euphelia zu einem strikten Ändern ihres Eßverhaltens, damit auf der
Waage kein Chaos entsteht. Sie wird den Keks aus der rechten
Federhälfte beim Klettern auf die Waage neben sich auf den Schrank
legen. Den halben Lebkuchen, der in ihrem Federkern gerade
verschwindet, wird sie erst herunterkauen, bevor sie den Blick auf
die Waage wagt.
Euphelia ist ob dieser grandiosen Idee ganz euphorisch. Sie mischt sich unter das Weihnachtsvolk, um sich für weitere Maßnahmen zu beraten. Dieser Tag hinter der 11. Tür ist köstlich, wunderschön und so unkompliziert, denn heute gibt es ja bloß Kuchen.
Seitdem
Euphelia gestern wieder auf ihrem Stammplatz eingetroffen ist, lassen
sie die Gedanken an ihren Ausflug und an die Begegnung mit dem Mann
am Klavier nicht mehr los. Da werden nun am Freitag den 13. Heinz mit
dem Akkordeon 85 und sein Enkelsohn 21 Jahre alt. An welchen
unterschiedlichen Weggabelungen doch beide gerade stehen. Werden sie
sich ausreichend miteinander unterhalten?
Wird
der junge Mann von den Erfahrungen des alten Mannes lernen und
neugierig sein auf die Geschichten?
Wird
der alte Mann jung genug sein, um den Ansprüchen an das Leben des
jungen Mannes mit Verständnis zuhören zu können?
Manchmal
leiden wir am Leben wie an einer dickten Backe, denkt Euphelia, doch
sind wir auch oft genug dankbar für alles, was wir im Leben
erreichen? Ist unser Glas oft halbleer oder meistens halbvoll?
All
das geht Euphelia heute am Dienstag mitten im Advent durch den
Federkern, mitten in einer Zeit, die dafür geschaffen ist, sich in
aller Stille bei Kerzenschein Gedanken über seinen Weg zu machen.
Manchmal
muß sie Geschichten schreiben, die ihr an die Feder gehen. Menschen,
die sie lange kennt, sind plötzlich nicht mehr auf der Gästeliste.
Andere wechseln schon mal das Stockwerk, weil die Treppen
beschwerlich geworden sind. Neue Gäste wachsen nach, waren vorher
Kinder und lassen sich nun für ihre Hochzeit beraten. Manche kommen
das erste Mal in das Wohnzimmer und können die Liebe, die dieses
Hotel ausstrahlt, sofort in allen Adern spüren.
Euphelia
weiß, es gibt noch so viele Geschichten, die hier aufgeschrieben
werden wollen. Sie werden Tiefe und Wärme vermitteln, diese
Geschichten, sie werden davon handeln, wie sich verziehen wird, sie
werden darüber sprechen, wie wir an einem solchen Ort der Bücher
und Erinnerungen tolerant und engagiert miteinander umgehen.
Und
genau in diesem Moment weiß Euphelia, welches Buch sie heute
unbedingt an ihr Federherz nehmen möchte.
Mitch
Albom
„Dienstags
bei Morrie“
Die
Lehre eines Lebens
Euphelia
würde sich gerade sooo gern mit einem guten Freund austauschen. Sie
schaut zu ihrem kleinen angekokelten Freund Faust. Er liegt gegenüber
in der Glasvitrine und wartet. Ach, seufzt Euphelia, auch uns wird
das Leben wieder vereinen. Sie ist sich ganz sicher.
Übrigens:
Diesem Buch von Mitch Albom folgte ein würdiger Film, mit Jack
Lemmon in seiner letzten großen Spielfilmrolle.
Hier
im Hause wird am 4. Januar 2020, also am ersten Sonnabend im
kommenden Jahr, dieser Film als FilmDinner gezeigt. Mit Sicherheit
wird es nach diesem wundervollen Film eine sehr angeregte
Gesprächsrunde geben am großen, zauberhaft dekorierten Tisch bei
einem köstlichen Dinner. Herzlich willkommen!
Und
denkt unbedingt daran:
Dies ist ja wohl ein ganz wunderbares Weihnachtsgeschenk!
Euphelia
reiste heute tagsüber. Die gestiefelte Hausschreibfeder Euphelia war
unterwegs in wichtiger Mission.
Es
war ihre erste große Reise nach dem Auszug aus der Glasvitrine.
Ländergrenzen wurden überschritten. Von Mecklenburg aus ging es in
das Herz Vorpommerns, nach Stralsund.
Ihre
Aufgabe bestand im Festhalten der bilateralen Absprachen in
Vorbereitung einer großen Feierlichkeit, wiederum
länderübergreifend.
Hier
in ihrem Stammsitz, wo sie heute abend völlig erschöpft wieder
Platz genommen hat, hier also wird am Freitag den 13. ein wichtiger
Mensch seinen 85. Geburtstag feiern. Bei den meisten Gästen ist er
der Heinz mit dem Akkordeon. Bei anderen ist er der Mann am Klavier.
Nach
den Wünschen wurde ausführlich gefragt, nach dem Essen und den
Getränken, nach den Blumen auf dem Tisch. Es ging es um die Zeiten,
die auf dem Bahnsteig „Viertel vor Zehn“ eingehalten werden
sollen, um die Länge der Bahnfahrt und um die verrückte Tee Party
im Wunderland. Euphelia kam mondstaubviolett kaum hinterher. Der Fuß
wurde ihr richtig warm.
Natürlich
war dem Mann am Klavier immer auch seine Frau eine starke Hilfe bei
allen Entscheidungen. So ist das nach 64 Ehejahren und so soll es
auch sein und so hält es sie beide stark.
Ja,
da ist Euphelia wieder bei den Wünschen und bei den Geschenken. Da
macht man sich schon so viele Gedanken zu Weihnachten. Nun kommt ein
Geburtstag kurz davor noch dazu. Und nicht nur für den Heinz am
Akkordeon, nein, ein junger Mann, Student, wird von weit her
anreisen, um ebenfalls an diesem Freitag den 13. eine Schippe auf
sein Alter drauf zu legen. Anhand der ausführlichen Aufzeichnungen
von Euphelia wird es gelingen, diesen wundervollen beiden Männern
einen schönen Rahmen zu gestalten für einen gemeinsamen Geburtstag.
Obwohl Euphelia weiß, daß sie an die Qualitäten des
Tagebuchschreibens des Mannes am Klavier in keiner Weise heranreicht,
müht sie sich um bestes Protokoll.
Doch
was wünscht man diesen beiden LieblingsMenschen? Was schenkt man
Menschen um sich herum, die man wirklich liebt?
Euphelia
stellt sich diese Fragen nun schon ein paar Tage, denn im Wohnzimmer,
von ihrem Stammplatz aus, hört sie viele unterschiedliche Gespräche
zu diesem Thema „Schenken“.
Wenn
sie sich das Ehepaar anschaut, mit dem sie heute gesprochen hat –
Ihr seht es unten auf dem Foto – dann weiß sie, daß da jemand
bereits ein handgearbeitetes Geschenk gemacht hat, welches so sehr
voller Liebe steckt. Es ist ein Kunstwerk voller Zeit, Leidenschaft,
Meisterschaft und voller Liebe. Euphelia führte den Federfuß voller
Respekt mit diesen beiden liebenswerten Geschöpfen.
Neulich
hat Euphelia gehört, wie jemand ein Lotto-Los verschenkt hat. Da
fiel ihr ein Buch ein, welches sie mit sehr großem Interesse und
voller Emotionen gelesen hat. Seitdem weiß sie ganz genau: Nie,
niemals wird sie ein Lotto-Los verschenken. Aber sie hat auch aus
diesem Buch gelernt: Handarbeit verbindet und macht glücklich. Und
Handarbeit ist ein wundervolles Geschenk.
Lest
selbst! Dieses Buch wird Euch lange nicht loslassen:
„Alle
meine Wünsche“
von
Grégoire Delacourt
Euphelia
ahnt, daß am Freitag den 13. viele gute Wünsche ausgesprochen
werden für den Mann am Klavier und für den Studenten. Doch ganz und
total sicher ist sie sich, daß der größte Wunsch auf alle Fälle
in Erfüllung geht:
Gemeinsame ehrliche und fröhliche Zeit mit der ganzen Familie und den besten Freunden.