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Eintrag in das Buddelbuch – Euphelia am 3. Juni

Euphelia streift durch das Gewölbe. Zwei Tage hintereinander hat sie hier jetzt das Spektakel von Wischlappen, Staubsauger und Wedel beobachtet. Raum für Raum, Ecke für Ecke, Fenster für Fenster gingen sie vor. Ein eingespieltes Team.

Conny wandelt durch den langen Gang, streichelt hier und da einen Backstein, sie duzt jeden. Doch nur kurz hängt sie heute in den Erinnerungen.

Sie setzt sich an den blank polierten großen ovalen Tisch im Raum Sevilla, schaut hinaus auf die magischen, riesenhaften Kastanien im Park und die Stirnfalte deutet auf höchste Konzentration. „Habe ich an alles gedacht? Gibt es eine Lücke im Plan? Werden wir rechtzeitig fertig?“ Ihren Handwerkern ist sie so sehr dankbar. Sie haben zügig und mit bester Qualität abgeliefert und einen sauberen Arbeitsplatz hinterlassen. Conny gähnt, streckt sich einmal krachend durch und stellt fest, daß Aufstehen anstrengender ist als Hinsetzen. Da kommt Nicole um die Ecke. Jegliche Müdigkeit und Sekundenschwäche verfliegt, wenn dieses Energiebündel auftaucht. Mit dem Zipfel ihres Putzlappens fährt sie liebevoll über den Rand des alten Tisches. „Tja, Conny, jetzt geht alles ganz schnell, dann führe ich hier wieder die Regie.“ Euphelia lächelt in sich hinein. So kennt man das Frühstücksengelchen. Am meisten liebt sie wohl jeder, weil man genau weiß, was sie sagt, das denkt sie. Und Euphelia weiß zudem, Engelchen liebt diese große Verantwortung für IHR Frühstücksbuffet. Seit vielen Jahren läßt sie sich hier für die Gäste am Morgen immer wieder etwas Neues einfallen, kocht Marmeladen, brät Fleisch, kombiniert Salate. Engelchen bereitet auch schon mal zu Hause alles vor, wenn es in der Hotelküche zu sehr wuselt. Nun kam in den letzten Monaten auch bei Engelchen das Hobby des Brotbackens an. Euphelia ahnt bereits, daß es hier tolle Gespräche über Saaten, Mehle, Kerne, Nüsse am Frühstücksbuffet geben wird. Engelchen selbst ist wohl am meisten überrascht, daß sie Brot bäckt – und das so voller Leidenschaft. Daß sie sich hier voll kreativ und in eigener Verantwortung frei ausleben kann, das ist ihr großer Traum eines Arbeitsplatzes. Hier kann sie ihn leben – und das tut sie mit aller Energie und Freude. Sie flitzt schon wieder los.

Conny erwischt sie als nächstes neben Liane an der Spüle zwischen den Flaschen, als ihr die Frage spontan einfällt: „Wen würdet ihr gern hier mal begrüßen, bewirten, mit ihm reden, gibt es da eine prominente Person?“ Und wie aus einem Munde, ohne zu überlegen, bekommt Conny den Steffen Henßler serviert. Ja, glaubt man das! So genau kennen diese Mädels ihre Wünsche. Na gut, dafür müssen sie wohl hier erst mal wieder alle gemeinsam in die Spur kommen, bevor sie diese hohe Etage der Ideen in Angriff nehmen. Conny hat so große Lust, solche Wünsche zu erfüllen.

Der Feierabend naht. Diese zehnköpfige Raupe ist ein Phänomen. Das Gewölbe strahlt voller Liebe und beantwortet die Zuneigung der letzten beiden Tage mit einem absoluten Wohlfühlaroma. Doch Engelchen nimmt zur Kenntnis – fertig also hier – und schon flitzt sie in den Salon. Die Fenster sind noch zu schaffen. Doch irgendwann ist Conny so sehr erschrocken. Euphelia spürt die Panik, die in ihr aufsteigt. Conny packt gerade Sachen für ein Päckchen der BuchBar zusammen, da hört sie Stimmen auf der Eingangstreppe. Conny zuckt förmlich zusammen. Nur ein Gedanke beherrscht sie völlig aus dem Nichts: Sie hat sich im Datum geirrt, die ersten Gäste kommen. Völlig unreal der Gedanke, denn dann hätten sich ja alle geirrt. Doch er steht mitten im Raum und Conny komplett unbeweglich daneben. Sie erkennt keine Stimmen, sie kann sich nicht von der Stelle rühren – sie hat sich im Datum geirrt. Das ganze Wohnzimmer ist noch Lager von allem – und Conny überlegt einen Bruchteil einer Sekunde, wo läßt sie das alles, bevor die Gäste die Eingangstür erreicht haben. Doch schon löst sich der Schock, denn Pia und Engelchen mit Besen und Handfeger bewaffnet entern lachend die Tür. „Wir proben schon mal den Aufstieg, haben wir uns so gedacht. Die Treppe hatte es nötig.“ Und in Connys Gedanken folgt die Erkenntnis: Gut zu wissen, der Schlüssel funktioniert noch.

Es ist so schön, daß viele ihrer Gäste sich mit ihr freuen, wenn es am 14. Juni wieder losgeht. Und sie freuen sich nicht nur, sondern buchen auch. Wo würde Conny jetzt hinfahren wollen, wenn alles wieder geht? Irgendwie gerade gar nicht weg. Die letzten sieben Monate haben zu einer völligen Verzücktheit über diesen Ort bei ihr geführt. Aber das wird sicher wiederkommen, Conny ist eine Reisemaus, das kann einfach gar nicht ganz vorbei sein.

Auf Nachfrage nach einem Traumreiseziel verrät ihr Engelchen: Dubai! Engelchen träumt davon, in der Eingangshalle des höchsten Hotels der Welt zu stehen und sich im Kreis zu drehen, sie möchte dort ganz nach oben fahren, sie möchte durch die Straßen schlendern und diese total fremde Welt an sich vorüber ziehen lassen. Und sie möchte echte Scheichs sehen. Und sie möchte vielleicht eine neu Idee für das Frühstück mitbringen. Das ist so richtig nochmal ein Traum von ihr, und Engelchens Augen strahlen dabei ganz besonders. Conny liebt Träume, und am meisten liebt sie es, wenn man seinen Traum lebt. Sie wird also auch Engelchens Traum fest im Auge behalten und weiß einmal mehr, daß ihre Truppe voller Überraschungen steckt. Euphelia schaut Conny vorsichtig von der Seite an – schleicht sich da etwa ein Tränchen der Rührung und Liebe ins Auge? Doch gleich nach Dubai kommt Engelchens Lieblingsplatz in Groß Breesen. Das nennt Euphelia mal einen Ehrenplatz auf der Skala.

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Eintrag in das Buddelbuch – Euphelia am 22. Mai

Euphelia weiß noch nicht so recht, mit welchen Worten sie Conny ein wenig Sicherheit geben kann. Manchmal spürt sie richtig, wie gern Conny von anderen hören würde, was zu tun und zu lassen ist. Verantwortung kann eben auch richtig schwer auf den Schultern lasten. Zu früh öffnen ist gefährlich, zu spät öffnen ist teuer. Überhaupt öffnen hat so viele Bedingungen. Wie macht Conny alles richtig? Wie werden Mitarbeiter und Gäste gleichsam glücklich? Miteinander glücklich – das ist die wichtigste Voraussetzung, anders hat dieses Hotel gar keinen Sinn. Wer gibt ihr den richtigen Plan, zeigt ihr den Weg? Die Zeit seit November ist wirklich sooo lang. So viele Ideen und Hoffnungen mußten immer wieder geändert werden.

Plötzlich erinnert sich Euphelia an ein Gedicht.

Herr K. und die Flut

Herr K. ging durch ein Tal,

als er plötzlich bemerkte,

daß seine Füße in Wasser gingen.

Da erkannte er, daß sein Tal

in Wirklichkeit ein Meeresarm war

und daß die Zeit der Flut herannahte.

Er blieb sofort stehen,

um sich nach einem Kahn umzusehen,

und  solange er auf einen Kahn hoffte,

blieb er stehen.

Als aber kein Kahn in Sicht kam,

gab er diese Hoffnung auf

und hoffte, daß das Wasser

nicht mehr steigen möchte.

Erst als ihm das Wasser

bis ans Kinn ging,

gab er auch diese Hoffnung auf

und schwamm.

Er hatte erkannt,

daß er selber ein Kahn war.

Bertolt Brecht       

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Eintrag in das Buddelbuch – Euphelia am 18. Mai mittags

Euphelia lauscht den Worten am Radio. Gestern war alles noch ganz anders, vor einer Stunde auch. Wollen wir wetten? In einer Stunde wird alles ein bißchen anders sein. Dieses Hin und Her kann sie nicht mehr ertragen. Aus. Radio aus. Ruhe. Ist auch nicht besser – dann drehen die Gedanken am Rad. Auch nicht besser. Wie war das eigentlich im letzten Jahr? Euphelia blättert einfach mal zurück. Da ist er – der

Eintrag in das Buddelbuch vom 8. Juni 2020.

Lesen, Kopf schütteln, lachen, weinen, doll weinen, Kopf schütteln, Schultern zucken. Oooohje – letztes Jahr mit diesem zu vergleichen ist soooo schwer. Im letzten Jahr nahmen sie hier den Betrieb wieder auf nach drei Monaten. Nun sind es mehr als sieben Monate Einsamkeit für dieses wundervolle alte Gutshaus, wenn sie den Schlüssel erstmals wieder in die andere Richtung drehen werden. Wann wird das sein? Gestern hatten sie hier einen festen Beschluß gefaßt. Heute merkte Euphelia schon beim gemeinsamen Tee am Radio – Schultern zucken, Kopf schütteln, hinhören, Unsicherheit in den Augen. Was machen sie jetzt richtig? Euphelia weiß nur eines ganz genau: Diese Entscheidung möchte sie gerade nicht treffen. Schnell  steckt sie ihr Füßlein in den Silberstiefel und mimt den Schlafmodus. Es ist erst mittags. Wie lange hält sie das durch?

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Beitrag in das Buddelbuch – Euphelia am 11. Mai

Euphelia hat sich an blühende Landschaften im Büro schon fast gewöhnt. Doch seit heute kein Umweg mehr zum Schreibtisch, kein Ausweichen für Conny für die wichtigen Entscheidungen der nächsten Stunden und Tage. Der Apfelbaum wurde in Eulenhausen verwurzelt. Nun gibt es dort einen herrlichen Dreiklang: Sitzstein, Telefonzelle und Naschbaum. Die großen geharkten Haufen auf der gemähten großen Wiese sind verschwunden. Gekommen sind die neuen Matratzen. Immer dichter kommen wir unserem Schlüsseltag. Daß es dann noch Betten gibt, scheint sicher! Tut gut, wenn etwas sicher scheint.

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Eintrag in das Buddelbuch – Euphelia am 9. Mai

Unberührte Natur und mitten drin ein Hotel. Die Tauben spazieren auf dem Gehweg, der Hase hoppelt mitten am Tag über die Terrasse. Die Katze, die hier nicht hergehört, sonnt sich windgeschützt und ungestört auf der Eingangstreppe . Die Tomatenpflanzen wachsen im Salon und warten auf ein warmes Draußen. Der Apfelbaum, ein Naschbaum, der Dienstag eingepflanzt wird, übersteht die Wetterkapriolen dieser Tage neben dem Schreibtisch in Connys Büro und blüht und blüht und blüht. Insel Literaturien.

Inseln sind Sehnsuchtsorte. Sie versprechen Abgeschiedenheit, Naturgenuß und eine ganz besondere Auszeit vom Alltag. Nach diesen Monaten und an solchen Tagen hat der Satz „Reif für die Insel“ für Conny eine völlig neue Bedeutung bekommen.